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  • frauholla

Ein Tag im Leben von Jan

PERSONA STORIES


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» Azurblaues Wasser über perlweißem Sand. Die sanfte Brandung kitzelt kühl seine Zehenspitzen. Entspannt watet er den letzten Sonnenminuten des Strandtages entgegen. Piep Piep Piep. Das Geräusch scheint von überall zu kommen, doch das lenkt ihn nicht vom sonoren Rauschen der karibischen Brandung ab. Nichts könnte diesen Moment … PIEP PIEP PIEP PIEP! « Mit dem Schlag auf den Snoozebutton zerplatzen die Träume des vergangenen Urlaubes. Er war früher heimgegangen, Frau und Kind genossen noch den Süden. „Schade“ denkt Jan doch die Hütte zahlt sich nicht von allein. „Es ist Montagmorgen. Mit letztem Gähnen löst er sich schwungvoll von der Bettkante, streichelt den noch schläfrigen Hund im Körbchen und watschelt Richtung Bad. Jetzt ist er hellwach. Duschen. Zähneputzen. Föhnen. Heute mal kein Haarwachs. Graue Chinohose, schwarzer Gürtel mit dezenter Schneekoppe, hellblaues Hemd, oberster Knopf offen. „Fühlt sich fast an wie Karibiksand“, Jan träumt, als er über den weißen Langflorteppich seines Wohnzimmers zur spiegelglanzpolierten Kaffeemaschine im Essbereich läuft. Es quietscht unter seinem Fuß. „Oh“, jetzt ist auch der Kadur hellwach. Flinke Pfotentapsen eilen Granittreppe hinunter. Das kleine Spielzeug gehörte eigentlich ihm, doch Jans Tochter liebte es ebenso viel wie der Hund. Mit einem geübten Kick befördert Jan es auf die Couch, er lächelt und wechselt die Richtung gen Haustür.

Heute soll der Kaffee auswärts geschehen. Die neue kleine Rösterei um die Ecke, sah wirklich interessant aus. Außerdem bringen Menschen am Morgen das Denken in Schwung. Er springt in seine weißen Sneaker, öffnet die Haustür. „Nein, du bleibst hier und passt aufs Haus auf“. Dem Hütehund war die Sicherheit des zweistöckigen Hauses in erstklassiger Vorortlage herzlich egal. Doch das wusste keiner, außer der Nachbarin, die ihn manchmal fütterte, wenn Jan spät arbeiten war. „Oh fast vergessen“, Jan setzt zurück, um seine Uhr von der Kommode zu schnappen. Junghans Max Bill. „Tickt wie ich“, denkt er sich, während er verliebt auf das schiefergraue Ziffernblatt der Uhr blickt, die er sich vor Jahren von der ersten Provision als freier Immobilienmakler gekauft hatte, „präzise, stilvoll und dezent“. Er schließt die Haustür.


Der morgendliche Kaffee schmeckt unter Leuten einfach besser, selbst die Staumeldung auf dem Smartphone stört seinen Zeitplan nicht. „Halb so wild“ denkt Jan, der es gewohnt ist, seine Anfragen flexibel am Telefon zu regeln. Mit den meisten Kunden ist er sowieso per du. Einige begleiten ihn schon seit seiner Zeit als Jungmakler. Er genießt es, Zwischenmenschlichkeit und Geschäft zu verbinden, freut sich immer noch jedes Mal, wenn er es schafft, lockeren Smalltalk mühelos in ein angenehmes Geschäftsgespräch zu überführen. Der Erfolg kommt dann automatisch. Jan ist überzeugt, dass Menschlichkeit einen Vertriebler beflügelt. Er könnte jedes seiner Objekte auf die letzte Betonpore genau erklären, doch am Ende muss er das nie. Erst unlängst hatte ein wohlhabender Städter verhandlungslos ein Objekt gekauft, bei dem Jan selbst ins Schwärmen gerät. „Eines Tages“, flüstert er ins Rauschen der Autobahn.


Er ist zufrieden mit seinem Job, mit seinem Haus, mit seinem Leben im Ganzen. Und doch treibt ihn etwas an, immer wieder über einen nächsten Schritt zu sinnen. Über etwas, das ihn weiterbringt. Etwas, dass ihm Sicherheit gibt. Das für ihn arbeitet, auch wenn er nicht mehr kann – oder möchte? So auch dieses Mal, als seine Kollegen am Tisch plötzlich über Kryptowährungen diskutieren. Endlos skalierbar! Dezentral! Digital! Neue Welt! Vor kurzem verirrte sich ein Artikel über Bitcoin ins Gebirge interessanter Fachzeitschriften auf Jans heimischem Schreibtisch. Er ist ein Mann vieler Interessen und so eröffnete er ein Wallet, versteckte den Zettel mit „wertvollen Worten“ unter der Matratze und kaufte sich … nichts. Seitdem spielt er gelegentlich mit dem Gedanken, sich weiter mit dieser Digitalen Welt zu befassen. Vielleicht einen Bitcoin kaufen – oder einen Anteil? Das Prinzip fasziniert ihn, doch ist noch nicht ganz greifbar. Für ihn, der schon immer mit massiven Assets aus Stahlbeton arbeitet, wirkt die Vorstellung nicht greifbarer werte faszinierend und überwältigend zugleich. „Ciao Jungs!“ Jan steht auf und läuft Richtung Büro. Die Mittagspause dauert noch eine Weile, doch die Jungs sieht er spätestens am Freitag in der Stammkneipe wieder. So nimmt er sich noch Zeit für ein Hörbuch, Paul Arden: Es kommt nicht drauf an wer du bist, sondern wer du sein willst.


„Wer will ich sein?“ Diese Frage verfolgt Jan über den Heimweg. Er fragt sich, wie er weiterwachsen kann, beruflich und persönlich. Er träumt vom vergangenen Urlaub und fantasiert über den kommenden. „Das Haus zahlt sich nicht von allein“, er steckt den Schlüssel ins Schloss, „und was ist mit Zeit, für mich, vielleicht für Kinder, Familie“, er streichelt den Hund, „und was ist mit… Freiheit“, er lässt sich auf die Couch fallen. Kadur murmelt sich zu seinen Füßen. Nach den letzten E-Mails des Spätabends, öffnet Jan Instagram. Sein Lieblingszeitvertreib, um runterzukommen. Zwischen Unmengen tanzender Menschen, tollpatschigen Katzen und 5 Minuten Rezepttipps, fällt sein Blick plötzlich auf eine Anzeige: Mieteinnahmen – 300% in 36 Monaten – Lifestyle, Travel, Wachstum & Charity – werde Teil des Teams! „Es muss doch mehr drin sein“, denkt Jan und drückt auf den „Nachricht senden“ Button.









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